Ich begegne vielen Frauen, auf Feiern, in meinen Fachkreisen, bei Beratungen alleine oder mit Partner oder Partnerin. Wir reden über Freundschaften, Familie, Kinder, Pubertät, Sexualität, Kinderwunsch, Intimität, Krisen, Trauer, Care-Arbeit, Krankheit, Freudenmomente und über unglaublich witzige und schöne Ereignisse.
Doch über die Wechseljahre sprechen wir ungefragt nicht. Maximal kommt ein beiläufiges: „Meine schlechte Laune ist halt wegen der Wechseljahre.“ Und dann geht es weiter, als sei das kein großes Thema. Oder wir geben uns Tipps zu Hormonbehandlungen, um möglichst schnell wieder gesellschaftstauglich am Arbeitsplatz zu erscheinen: freundlich, ausgeschlafen und unverschwitzt wie immer.
Das Patriarchat hat sehr gut dafür gesorgt, dass Frauen, die sich beschweren und Forderungen stellen, als kompliziert und unbequem gelten. Nicht umsonst stammt das Wort „Hysterie“ tatsächlich vom griechischen Wort „hystera“ (ὑστέρα), was „Gebärmutter“ bedeutet. Hippokrates u.a. dachte, die Gebärmutter könne sich im Körper bewegen und dadurch körperliche und psychische Symptome auslösen. Er nannte es die „hysterische Wandersucht der Gebärmutter“. Kein Wunder also, dass Frauen, die über ihre Beschwerden sprechen, oft als kompliziert oder unbequem gelten und, dass das Thema Wechseljahre somit kaum gesellschaftsfähig ist. Dabei betreffen die Wechseljahre, auch Klimakterium genannt, mehr als 50 % der Weltbevölkerung direkt und schließlich sekundär 100 %. Trotzdem ist das Thema kaum erforscht und selten öffentlich. Gut, dass wir jederzeit damit anfangen können, dies zu ändern.
Viele kennen die klassischen Symptome der Wechseljahre:
- Hitzewallungen und Nachtschweiß
- Unregelmäßige oder ausbleibende Periode
- Schlafstörungen
- Stimmungsschwankungen, Reizbarkeit
- Gewichtszunahme (besonders am Bauch)
- Trockene Scheide, weniger Libido
- Erschöpfung und Antriebslosigkeit
Weniger bekannte Symptome sind:
- Herzrasen, Gelenk- und Muskelschmerzen („Wechseljahresrheuma“)
- Kribbeln, Brennen, Taubheitsgefühle, z. B. in den Händen
- Konzentrations- und Gedächtnisprobleme („brain fog“)
- Harnwegsbeschwerden, Blasenentzündungen
- Trockene Haut, Augen, Mund
- Haarausfall oder dünner werdendes Haar
- Kopfschmerzen
- Veränderungen von Körpergeruch, Geschmack oder Geruchssinn
- Angstgefühle oder Panikattacken
- Juckreiz
- Verlust von Muskelmasse oder Gewichtszunahme trotz gleicher Ernährung
Die Wechseljahre sind eine natürliche Übergangsphase im Leben einer Frau, geprägt vom Rückgang der Ovarialfunktion und sinkenden Hormonen, dem Östrogen und dem Progesteron. Es gibt keinen einzelnen Test, der die Wechseljahre diagnostiziert. Die „Diagnose“ ergibt sich in der Gynäkologie aus Gesprächen, Untersuchungen und manchmal unterstützenden Laborwerten. Wie schön wäre es, wenn Frauen ungestört diese Symptome erleben dürften, ohne Bewertung, Stigma oder die Sorge, durch eventuell geringere (ökonomische) Leistungsfähigkeit weniger Wert zu sein.
Wechseljahre und Sexualität
Die Wechseljahre wirken sich natürlich auch auf die Sexualität aus: veränderte Schleimhäute und Trockenheit, weniger Empfindsamkeit oder Müdigkeit können die Lust beeinflussen. Stimmungsschwankungen, Veränderungen des Geruchssinns oder ein verändertes Selbstbild tun ihr Übriges.
Wenn die Libido nachlässt, kommt häufig der Gedanke auf, dass man dagegen arbeiten müsse. Manchmal auch aus Sorge, sonst die Beziehung zu gefährden oder den Partner oder die Partnerin mit einem Nein zur Sexualität nicht glücklich zu machen. Und hier beginnt das Dilemma. Wenn die Libido hauptsächlich wiederkommen soll, um sein Gegenüber zufrieden zu stellen und die Beziehung nicht zu gefährden, bewegt man sich auf schwierigem Terrain. Jede Frau hat das Recht, keine Sexualität zu wollen. Ihr Körper signalisiert, was sich gut anfühlt, was wichtig ist und wie viel Intimität sie zulassen möchte.
Paare in dieser Situation möchte ich ermutigen, dies nicht als Problem, sondern als Chance zu sehen. Eine(r) will, eine(r) nicht? Kein Problem. Es gibt unzählige Möglichkeiten, Nähe, Intimität, Verbindung, Ekstase und Leidenschaft auf neue Weise zu gestalten. Manchmal mit der dem Paar bekannten Sexualität, manchmal mit einem Potpourri an neuen, schönen intimen Begegnungen, die vorher nicht Teil des Liebeslebens waren. Manchmal auch mit einer liebevollen Akzeptanz dessen, dass es gerade holprig um das Thema steht.
Ich lade Paare ein, zu explorieren, zu kommunizieren und jedes „Nein“ zu Sexualität als Möglichkeit zu sehen, sich als Paar neu zu entwickeln. Denn häufig ist es kein „Nein“ zum Partner oder zur Partnerin, sondern ein „Nein“ zu bisheriger Sexualität. Machen Sie sich auf eine Entdeckungsreise, was stattdessen möglich ist. Ich begleite Sie als Paar- und Sexualtherapeutin auf diesem Weg sehr gern.